Baldrian  Valeriana officinalis L.
Baldriangewächse, Mai bis August, 40 bis 120 cm
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Standort  Feuchte Laub-, Misch- und Nadelwälder, Lichtungen, nasse Wiesen, Moore, Gräben; liebt nährstoffreiche, feuchte Lehmböden.
Wirkstoffe  Ätherische Öle (Valerensäure, Valerianate und Isovaleriansäure: Geruch), Olivilderivat, Alkaloide.
Droge  Wurzel Valerianae radix.

Beschreibung

Merkmale 

Der Baldrian ist auch unter den Namen Echter Baldrian oder Arzneibaldrian bekannt. Das kräftig ausgebildete Rhizom des Baldrians riecht nach „Katzendreck“. Die Pflanze hat unpaarig gefiederte Blätter, die gegenständig an dem kantigen Stängel sitzen. Unten sind sie gestielt, weiter oben sitzen sie direkt am Stängel. Die Blätter sind unterseits anliegend behaart. Die bis zu 23 Blättchen eines Fiederblattes erscheinen eiförmig bis lanzettlich, der Blattrand ist ganzrandig, grob gesägt, gezähnt oder auch gelappt. Das Endteilblatt ist nicht breiter wie die seitlichen Blättchen. Die süßlich duftenden Blüten sitzen auf den Stängelspitzen und bilden schirmartige Trugdolden. Der Kelch ist eingerollt verwachsen, die fünf Kronblätter sind hellrosa bis weiß. Es bilden sich winzige Achänen mit einem Haarkranz als Pappus.


Geschichte

Der Baldrian war einst eine sagenumwobene Pflanze. Der typische Standort an feuchten Auen, Quellen oder Bächen war in der Vorstellung der alten Völker gleichzeitig auch der Aufenthaltsort von Feen, Nixen und Elfen. Die alten Namen wie „Elfenkraut“ oder „Mondwurzel“ gehen darauf zurück. Der Name Baldrian leitet sich möglicherweise von Baldur, dem Lichtgott ab. Bei den Göttern der Germanen war Baldur der Beliebteste, von ihm ging ein Glanz aus, er war auch der Gütigste. Die beruhigende und entspannende Wirkung des Baldrians passt zum Gemüt dieses Gottes. Eine andere Herleitung geht vom lateinischen valere (gesund sein) aus.

Nach einem alten Volksglauben tragen Bräutigame ein Sträußchen Baldrian bei sich, um den Neid der Elfen abzuwehren. In den Wohnstuben hingen Baldriansträuße an einem Faden an der Decke: Begannen sich die Sträuße zu drehen, glaubte man, dass sich eine Hexe nähert. Auch eine aphrodisierende Wirkung wurde dem Baldrian nachgesagt. Ein Liebesrezept aus dem Mittelalter empfahl beispielsweise, vor dem Küssen Baldrian in den Mund zu nehmen. Bei der Butterherstellung goss man die Milch durch einen Kranz aus Baldrian, damit Hexen die Butterherstellung nicht verdarben, denn Baldrian galt als Abschreckmittel vor Hexen. Dies ging vor allem auf den Gestank nach Katzendreck zurück, den die Wurzel ausströmt. „Katzenkraut“ und „Stinkwurzel“ waren andere Namen für den Baldrian. Bekannt ist jedenfalls, dass Katzen diesen typischen Geruch gerne mögen. In der Zeit der großen Pestausbrüche galt Baldrian wie die Bibernelle als wirksamstes Mittel gegen den schwarzen Tod. Aus diesem Grund gab man in Sachsen den Neugeborenen Baldrian in das erste Bad, weil man glaubte, dies bewahre vor der Pest. Weshalb ihm diese Wirkung nachgeschrieben wurde, kann heute kaum noch nachvollzogen werden. Vielleicht zog der Geruch Katzen an, die dann die Ratten fraßen. So könnten die Rattenflöhe als Träger der Seuche dezimiert worden sein.

Hildegard von Bingen empfiehlt den Baldrian als Mittel gegen Seitenstechen und Gicht. Eine beruhigende Wirkung – wie sie heute bekannt ist – schreibt sie ihm nicht zu. Die Volksheilkunde verwendete die Pflanze zur Behandlung von Epilepsie, von Erregungszuständen allgemeiner Art, sowie während der Menstruation und der Schwangerschaft.


Heilwirkung

Interessant ist, dass die mittelalterlichen Kräuterbücher die beruhigende Wirkung des Baldrians kaum erwähnen. Diese Wirkung geht vor allem auf ein Olivilderivat zurück, das zu den Lignanen gehört. Es bindet sich an einen Adenosin-1-Rezeptor im Gehirn und blockiert damit das Potenzial von Nervenzellen. Die Valerensäure wirkt entspannend auf die Muskulatur und dämpft das zentrale Nervensystem. Baldrian ist heute ein wirksames Mittel bei nervösen Erregungszuständen und bei nervös bedingten Schlafstörungen. Die pflanzliche Droge wirkt auch bei Angstzuständen, sie stellt daher eine sanfte Alternative zu den Psychopharmaka dar. Die Wirkung lässt sich verstärken, wenn man Baldrian mit Melisse (bei nervösen Erregungszuständen) oder mit Hopfen (Schlafstörungen) kombiniert. Zur Behandlung von nervösen Herzbeschwerden gibt es Medikamente, die Baldrian in Kombination mit Weißdorn enthalten.


Anwendung


Die Wurzel wird im Herbst ausgegraben, gut gewaschen und getrocknet. Ein gehäufter Teelöffel der getrockneten Droge wird mit einer Teetasse kochendem Wasser übergossen und nach 10 bis 15 Minuten abgesiebt. Der Tee wirkt muskelentspannend und beruhigend bei Schlaflosigkeit, nervösen Verdauungsbeschwerden, bei Erschöpfung und Überarbeitung.


Fotos

Bild vergrößern!ZoomEchter Baldrian: Wild wachsende Pflanze.
Bild vergrößern!ZoomEchter Baldrian: Zuchtform, Blüten und Blätter.
Bild vergrößern!ZoomEchter Baldrian: Kantiger Stängel mit Fiederblättern.

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