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Biotischer Faktor Räuber und Beute


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Veränderliche Krabbenspinne auf Frauenschuh
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Breitblättriger Sonnentau mit Tentakeln

 
Wenn ein Räuber wie der Mäusebussard oder die Katze eine Maus tötet, um sie zu fressen, dann handelt es sich um eine Prädation. Bei den Säugetieren und einigen anderen Wirbeltierarten erkennt man den Räuber auch an seinem typischen Gebiss. Wenn ein Tier ein anderes Tier der gleichen Art tötet, dann liegt eine besondere Form der Prädation vor, der Kannibalismus. Dies kommt beispielsweise bei einigen Fischarten, bei Mäusen und Ratten oder bei Reptilien vor. Dabei steht nicht der Nahrungserwerb im Vordergrund, sondern Konkurrenz - wenn der männliche Löwe die Jungen tötet, um sich wieder schneller mit dem Weibchen paaren zu können - oder es ist eine Folge von Stressreaktion bei zu großer Populationsdichte - wenn Hamster ihre Jungen töten und auffressen.
 
Stark vereinfacht könnte man das Prinzip so formulieren: Der Räuber reguliert die Populationsdichte seiner Beute, und er ist seinerseits abhängig davon. Frisst ein Räuber fast die gesamte Beute in seinem Lebensraum, findet er weniger Nahrung und wird dadurch in seiner Entwicklung eingeschränkt. Gibt es dann weniger Räuber, können sich die Beutetiere wieder mehr vermehren. So wird das ökologische Gleichgewicht auf natürliche Art und Weise reguliert. In der Natur treten ständige Schwankungen oder Oszillationen innerhalb der Räuber-Beute-Beziehung auf. Tatsächlich ist das natürliche System komplexer: Meistens gibt es für jede Beute mehrere Räuber und jeder Räuber steht in Konkurrenz zu seinen Artgenossen und anderen Arten.

Tierische Räuber entwickeln viele Strategien, um erfolgreich jagen zu können. Beim Auflauern einer Katze oder beim Ansitz eines Greifvogels kalkuliert der Räuber darauf, dass die Beute den unbeweglichen Räuber nicht sieht. Katzen oder Fischreiher verlassen sich auf das geräuschlose Anpirschen, sie schleichen sich dabei bis in die Nähe der Beute um im entscheidenden Moment blitzschnell zuzuschlagen. Großkatzen und Wölfe jagen ihre Beute durch Verfolgen und verlassen sich auf ihr schnelles Rennen. Tarnung ist ebenfalls eine beliebte Strategie der Räuber: Die Veränderliche Krabbenspinne lauert beispielsweise auf Orchideen wie dem Frauenschuh und passt ihre Körperfarbe der Blüte an. So wird sie von futtersuchenden Insekten nicht wahrgenommen. Andere Spinnen bauen ein Netz und stellen der Beute damit eine Falle.Fleischfressende Pflanzen wie der Sonnentau locken ihre Opfer durch einen betörenden Duft an und fangen sie durch ein klebriges Sekret oder durch einen Fangmechanismus.

Zum Schutz vor Räubern haben viele Tier- und Pflanzenarten zahlreiche Schutz und Abwehrmechanismen entwickelt. Der Feldhase besitzt angepasste Sinnesorgane, große Ohren für das Richtungshören und ein sehr großes Gesichtsfeld. So kann er seinen Feind, den Fuchs, gut wahrnehmen. Bei der Flucht schlägt er Haken. Sehr schnelle Tiere wie die Antilopen entkommen durch schnelles Laufen. Kräftige Tiere wie die Nashörner oder die Bisons stellen sich zum direkten Kampf. Bei wehrlosen Tieren ist die Tarnung des Fells oder des Gefieders weit verbreitet. Junge Sandregenpfeifer sind so gut getarnt, dass sie von einer Möwe auf einer Sand- oder Felsbank nicht gesehen werden. Bei vielen Vogelarten ist das Weibchen besser getarnt als das Männchen. Die Tarnung durch Nachahmung der Umgebung nennt man Mimese. Das Nachahmen anderer (oft gefährlicherer) Arten wird als Mimikry bezeichnet.
 
Zu den mechanischen Verteidigungswaffen gehören die Stacheln der Seeigel, die Dornen von Pflanzen, die Schalen von Muscheln oder die Panzer von Käfern und Schildkröten. Weit verbreitet sind auch chemische Verteidigungswaffen. Durch Geruchsstoffe warnen Fische ihre Artgenossen. Stinktiere spritzen ein übel riechendes Sekret auf den Angreifer. Amphibien wie der Feuersalamander und einige Krötenarten sondern auf ihrer Haut ein giftiges Sekret ab, mit dem die Angreifer gelähmt oder verletzt werden. Die schwarzgelbe Warnfarbe des Feuersalamanders signalisiert, dass die Beute giftig ist oder schlecht schmeckt - auch wenn das bei manchen Beutetieren nicht immer der Fall ist.
 
Der Bombardierkäfer verfügt über eine äußerst effiziente Waffe: Am Hinterleibsende sitzt ein paariger Explosionsapparat, bestehend aus einer Drüse, einer Sammelblase und einer Explosionskammer. Bei Gefahr werden die in den Sammelblasen gelagerten Lösungen aus Hydrochinon und Wasserstoffperoxid gemischt und mit einem katalytischen Enzym versehen. Dabei kommt es zu einer heftigen chemischen Reaktion. Durch die Reaktionswärme und die entstehende Gase kann der Käfer einen 100 °C heißen, giftigen und ätzenden Cocktail explosionsartig verschießen.
 
Durch intelligentes Verhalten lassen sich Räuber auch in die Flucht schlagen. Laute Geräusche sind besonders effizient, wenn sie gemeinsam mit anderen Tieren geäußert werden. Schimpfen, gackern oder fauchen stören den Angreifer in der Konzentration. Warnlaute warnen andere Tiere oder bringen Hilfe. Murmeltiere pfeifen bei Gefahr und warnen damit nicht nur Artgenossen, sondern auch andere Tiere des gleichen Lebensraumes wie das Alpenschneehuhn. Weit verbreitet ist auch das Ablenken: Seeregenpfeifer legen ihr Nest auf dem Sand an. Kommt ein potenzieller Feind, locken die Eltern diesen gemeinsam durch lautes Schimpfen in eine andere Richtung. Besonders effizient ist die soziale Gruppenbildung. Dies erklärt den Erfolg von Brutkolonien bei Seevögeln wie dem Basstölpel oder die Schwarmbildung bei Fischen. Flüchtet der Schwarm plötzlich, ist der Räuber so verwirrt, dass er nicht mehr weiß, wo er zuschlagen soll.
 
 
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