Natur erleben
"Die nicht zu beschreibende Schönheit einer Blüte; die Anmut eines in den Lüften gleitenden Vogels; das Rauschen des Windes in den Bäumen - irgendwann in unserem Leben berührt die Natur dich ... und mich ... und uns alle auf eine besondere, persönliche Weise. Einen Augenblick lang öffnet sich ein Spalt, durch den wir etwas von ihrem geheimnisvollen Wesen und ihrer Reinheit erblicken, und wir werden daran erinnert, dass es ein Leben gibt, das größer ist als die kleinen Angelegenheiten der Menschen." (Joseph Cornell, Mit Kindern die Natur erleben, S. 10)
 
Mit diesem Satz eröffnet der amerikanische Erlebnispädagoge Joseph Cornell die Einleitung in sein berühmtes Buch. Der Einsatz von Medien im Biologieunterricht ist durchaus sinnvoll, aber wenn der Unterricht nur in abgeschlossenen Unterrichtsräumen und nur mit Medien stattfindet, dann fehlt ein wesentlicher Moment der Naturerfahrung. Und wie sollen die Schüler die Natursysteme verstehen, wenn sie diese nur aus den Büchern kennen? In einer früheren Veröffentlichung von mir habe ich es so formuliert:

Wenn wir die Natur, der wir selbst angehören, wirklich im Bewusstsein verinnerlichen wollen, reicht es nicht aus, die Naturgesetze mit unserer Sprache zu beschreiben, um die Natur zu verstehen. Natur sollte unmittelbar und mit der ganzen Vielfalt der Erlebnisfähigkeit unserer Sinne erfahren und kreativ gestaltet werden. Der Lernort Schule hätte sich dafür zu öffnen. Ein paar Unterrichtsstunden im „Lernort“ Natur sind dafür niemals ausreichend. Naturerfahrung kann sich nur dann niederschlagen, wenn Schüler und Schülerinnen nachhaltige, mehrtägige oder mehrwöchige Naturerfahrungen machen und/oder die Natur künstlerisch nachbilden. Problematisch ist, dass der heutige Mensch in den Industriestaaten die Fähigkeit verlernt hat, sich in der Natur ohne technische Hilfsmittel zurecht zu finden. Er ist bereits ein Produkt einer Gesellschaft, die zu einer technischen „Wissensfabrik“ verkam." (Seilnacht, aus: Komplementäres Lernen und Verstehen im naturwissenschaftlichen Unterricht, ZS chimica didactica 3/98)
 
Das Erleben in der Natur ist eine ganzheitliche Erfahrung. Das Lernen findet nicht nur in den Köpfen statt, sondern auch in den Herzen. Beim Erleben ist die Person mit ihrem ganzen Körper, mit all ihrem Fühlen beteiligt. Beim ganzheitlichen Erleben von Natur steht nicht unbedingt ein möglichst effektives Arbeiten in Form von maximalem Wissenserwerb im Vordergrund. Es wird gerade keine Lupe, kein Mikroskop, kein Lehrbuch, keine Fachsprache, kein Arbeitsblatt, kein Arbeitsauftrag benötigt, sondern der Körper ist die alleinige Empfangsantenne für das Hören in der Natur. Diese Sensibilität fehlt heute vielen Erwachsenen. Gerade in der Pubertät sind Jugendliche besonders offen und sensibel für gefühlsbetontes Erleben. Auf mehrtägigen Ausflügen übernachten die Teilnehmer in Zelten und sind an der Organisation selbst beteiligt, sie lernen wie man ein Feuer anmacht, wie man für andere kocht, wie man ein Nachtlager herrichtet, usw.. Das Gelingen hängt vor allem auch davon ab, wie das Rahmenprogramm organisiert wird. Für das Naturerleben eignen sich vor allem Spiele und Übungen, bei dem der eigene Körper mit einbezogen wird, beispielsweise:


Copyright: Thomas Seilnacht